Schloss Strafe

Die Strafe  

 

  Interview im        BLURR MAGAZINE      No. 20

 



An einem dunklen, regnerischen Herbsttag begab ich mich auf das Anwesen von Schloß Strafe.
Mein Ziel war es, ein Interview mit der Band Die Strafe zu führen. Ich war sehr froh über die
Einladung, denn nicht vielen Menschen wird diese Ehre zuteil. Jedoch muß ich gestehen,
ein wenig mulmig war mir schon, als ich mit unsicherer Hand den schweren Türklopfer gegen
das mit mystischen Ornamenten versehene mächtige Portal schlug.
Nachdem mich das Personal durch die langen Gänge und engen Treppen des Schlosses
geführt hatte, traf ich endlich meine Gastgeber. Das Gespräch fand in gemütlicher Atmosphäre
bei knisterndem Kaminfeuer und einem guten Glas Rotwein im Herrenzimmer des Hauses statt...
 

 

BLURR:  Ok, schießt mal los. Wie verläuft denn so die typische Punkrock-Sozialisation
                in einem beschaulichen Niederrhein-Städtchen wie Mönchengladbach?
                Gab es Schlüsselerlebnisse, den Punk für sich zu entdecken?

Budde:    Eine Punkszene hat es in der Öffentlichkeit damals nicht gegeben, sie existierte zwar im
              Untergrund, hat mich persönlich aber nicht getroffen. Ich hatte halt Spaß am Musik machen.
Torsten:  Mein Schlüsselerlebnis war ein Ärzte-Konzert in Aachen in den 80er Jahren. Da hab ich da
              gestanden und gedacht: Ich will auch Musik machen! Dann hab ich mir ´ne Gitarre gekauft
              und losgelegt.
Budde:    Für Musik mit drei Akkorden gab es nur zwei Möglichkeiten: Punkrock oder Volksmusik.
Torsten:  Dann haben wir ´ne Münze genommen...
Budde:    ...mit zwei Köpfen, und Kopf war Punkrock.
Kai:        Ich glaub´ Die Ärzte waren schuld. Also...so wie sie früher waren!

BLURR:  Wann habt ihr damit angefangen eure Umwelt in Form einer Band zu strafen?

Budde:    1990 waren wir unerträglich.
Kai:        Eine echte Strafe.
Budde:    Und ab Herbst 1992 auch unter diesem Namen.

BLURR:   Auch in dieser Konstellation? Gab es bereits Bands vor der Strafe?

Budde:    Na klar! Die Beatles, Boney M., Abba...wußtest du das nicht?
Kai:        Und in dieser Konstellation nur eine Band vorher. Von 1990 bis 1992.

BLURR:  Und in welche Richtung das Ganze textlich wie musikalisch gehen sollte
                war von Anfang an klar?

Kai:        Nee, nee, das war vorher ganz anders.
Budde:    Da wir drei Leute sind und jeder nur einen Akkord konnte,
              hatten wir keine großen Möglichkeiten.
Torsten:  Heute kann jeder von uns drei.
Budde:    Das macht dann schon neun.
Torsten:  Nee, sieben, A-Dur können wir ja alle!
Kai:        Damals war es das Gegenteil von depressivem, intelligentem Punkrock...

BLURR: Stand denn die Wahl des Bandnamens bei der Gründung  in irgendwelcher Verbindung
               mit der von euch assoziierten Wirkung  eurer Musik auf das Publikum?

Alle:        Ja.
Kai:        Wer uns live gesehen hat weiß warum wir Die Strafe heißen...

BLURR: Was war denn euer erster Auftritt?

Torsten:  Es war an einem Freitag den 13. ...
Budde:    ...in Grevenbroich...
Kai:        ...in so ´nem Jugendheim...
Budde:    ...bei ´nem Festival...
Kai:        ...wo sich keiner für uns interessiert hat.
Budde:    Ein klassischer Fehlstart.
Torsten:  Es war auf jeden Fall ätzend.
Kai:        Ein typischer Dorfjugendheim-Auftritt. So mit der Dorfjugend, und nicht mit Leuten,
              die sich wirklich für die Musik interessieren.

BLURR: Wie ging es dann weiter?

Budde:    Genauso wie vorher, nur in Mönchengladbacher Jugendheimen.
              Und dann haben wir eigentlich direkt die erste Platte gemacht.
Kai:        Proberaumaufnahmen auf Single gepreßt.
Budde:    Dadurch ist Beri Beri auf uns aufmerksam geworden, und so weiter.

BLURR:  Was ist denn eure Hauptintention dafür, aktiv in einer Band Musik zu machen?
                Was bedeutet es euch und welche Ziele verfolgt ihr? Ich meine sowohl das Musizieren
                als auch die Band an sich. He he, gebt´s zu, ihr könnt euch eigentlich gar nicht leiden,
                aber ihr wollt Popstars werden, Leute durch eure Texte manipulieren, Groupies
                abschleppen und nach Konzerten mit Gold überhäuft werden, stimmt´s?

Kai:        Das Gegenteil ist der Fall! Wir können uns gut leiden, die Freundschaft war immer
              der wichtigste Faktor bei der Strafe!
Torsten:  Ich wollte nie Popstar werden!
Budde:    Ich schon!
Kai:        Aber wir wollen niemanden manipulieren!
Torsten:  Ich schon!
Budde:    Aber wir mögen keine Groupies!
Kai:        Ich schon!
Budde:    Und Gold ist sowieso ein unsicheres Zahlungsmittel!

BLURR:  Wie und unter welchen Aspekten entstehen denn bei euch Text und Musik?

Budde:    Jeder von uns schreibt Text und Musik für seine Lieder.
Torsten:  Dann spielen wir uns die gegenseitig vor...
Kai:        ...und finden die super.
Budde:    ...und himmeln uns an!
Torsten:  Wir sind toll!
Budde:    Und gar nicht arrogant!

BLURR:   Musikalisch wie textlich habt ihr ja einen gewissen Hang zur Schwermütigkeit,
                 ja fast schon Depressivität. Helfen Euch die Verarbeitung von Sorgen,
                 Unzufriedenheit und Ängsten in euren Liedern die Tristigkeiten des Alltags
                 zu verarbeiten?

Budde:    Genau!

BLURR:  Äh, na gut. Wenn man sich aber die Photos eurer Plattenveröffentlichungen anschaut
               und euch persönlich kennenlernt, merkt man, daß doch der ein oder andere Spaßvogel
               in euch schlummert. Wie kommt es zu diesen krassen Gegensätzen und scheinbarem
               Widerspruch im Vergleich zu Texten und Musik? Ich weiß ja, das eine hat nicht
               zwangsweise was mit dem anderen zu tun, aber...

Kai:        Genau so ist es ja auch. Wir haben gerne Spaß und wollen ja nicht nur Schwarzmalerei
              betreiben. Aber die Lieder beziehen sich oft auf die von dir genannten Sorgen, Ängste und
              Probleme, die man hat. Das Leben ist halt oft...
Torsten:  ...doof.
Budde:    Ich denke lieber positiv und schreibe negativ, als umgekehrt. Ich bin halt eher eine fröhliche
              Natur, muß mich aber immer mit den Widrigkeiten des Lebens an sich und der Gesellschaft
              auseinandersetzen und verarbeite das dann lieber in meinen Liedern, als anderen Menschen
              damit auf den Keks zu gehen.
Kai:        Ich denke oft negativ und schreibe oft negativ. Und postiv, wie zum Beispiel das Optimistenlied.
              Aber alles in allem schlage ich mich doch sehr viel mit den Widrigkeiten des Lebens rum.
              Oder mit mir selbst.
Torsten:  Wir haben doch gar nicht nur depressive Lieder!

BLURR: Wieviel Zeit habt ihr in etwa schon für das Schießen faxiger Bandphotos aufgewandt?

Torsten:  Jahre unseres Lebens.
Kai:        Ou, ja...
Budde:    Angefangen Ostern 1965.

BLURR: Wie läuft die Requisitenbeschaffung ab?

Kai:        Ich guck´ erstmal in meinen Kleiderschrank...
Budde:    Ich leih´ mir dann was von Kai...
Torsten:  Für Fotos und Requisiten ist Kai zuständig.

BLURR: Wie kam es zu dem kultigen Photo mit Bundesberti?

Kai:        Ou, das war kompliziert!
Budde:    Wir haben ihn angeschrieben, ihm dann unsere Texte zukommen lassen,
              die hat er dem DFB vorgelegt,...
Torsten:  ...die haben kurz überlegt, ob die deutsche Fußballnationalmannschaft mit Udo Jürgens
              unsere Lieder auf der nächsten WM-Platte covert...
Budde:    ...der DFB hat dann eine Anfrage beim Verfassungsschutz gemacht, daraufhin wurden wir
              vom BKA observiert, monatelang unser Telefon abgehört, dann schließlich als eine
              Vereinigung harmloser Musikanten eingestuft, mit einem minimalen Restrisiko,
              und durften dann im Hochsicherheitstrakt, nachdem wir durch den Metalldetektor
              gekommen waren, vor einer winterlichen Fototapete die Fotos mit Berti machen.
Kai:        Quatsch, ich hab da einfach geklingelt, und wir haben dann später die Fotos
              bei ihm im Garten gemacht!
Budde:    Och, mann!

BLURR: Habt ihr ihm denn auch eine CD zukommen lassen?

Budde:    Ööh...
Torsten:  Ouh...
Kai:        Tja...
Budde:    ...wir...haben da was vergessen...
Kai:        Ich hab´s einmal versucht, aber da war er nicht da, und danach...äh...vergessen...

BLURR:   Was sind die Vorteile als Trio in einer Band zu spielen?
                 Welche Nachteile birgt es?

Budde:    Man ist sich schneller einig.
Torsten:  Man hat keine Platzprobleme auf der Bühne.
Budde:    Das Bandbier hält länger.
Kai:        Absprachen sind einfacher.
Budde:    Man teilt das ganze Geld nur durch drei...
Torsten:  ...die ganzen Millionen...
Kai:        ...die wir schon in die Band gesteckt haben, ohne auf einen grünen Zweig zu kommen.
Budde:    Und die Nachteile?
Kai:        Naja, das mit dem Bass. Bei den Liedern mit zwei Gitarren fehlt halt schon manchmal der Bass.
              Aber das nehmen wir der Vorteile wegen in Kauf.

BLURR:     Habt ihr eigentlich mal daran gedacht euch um ein weiteres Bandmitglied zu
                  verstärken?

Kai:        Dran gedacht schon, aber schnell wieder verworfen, weil wir uns schon so lange und so gut
              kennen...das paßt dann irgendwie nicht. Weil wir halt nicht nur ´ne Band sind, sondern auch,
              wie schon gesagt, Freunde.

BLURR:  Euch als Experten zum Thema „Punkrock über 30“ kann ich die Frage ja stellen:
               Ab welchem Alter wird man als Teil einer Jugendbewegung unglaubwürdig bzw.
               wird nicht mehr ernst genommen?

Budde:    Mooooment! So alt wie du aussiehst, sind wir noch lange nicht!

BLURR:  Hey, Augenblick mal...

Kai:        Wir sind alle unter dreißig!
Torsten:  Ich glaube nicht, daß Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit was mit dem Alter zu tun hat,
              solange man seine Texte ernst meint, und nicht nach zwanzig Jahren immer noch über so
              Sachen singt wie zum Beispiel Die Ärzte.
Kai:        Und die sind schon über dreißig!

BLURR:  Wie alt seid ihr überhaupt, ihr Säcke?

Budde:    Öhh...
Torsten:  Naja...
Kai:        Unter dreißig halt...

BLURR:  Ich habe die Tage folgendes Zitat in einem pädagogischem Fachbuch entdeckt
                mit dem ich euch gerne konfrontieren würde:
                „Das unangenehme Erlebnis der Strafe soll in der Zielrichtung Förderungscharacter
                haben und jungen Menschen helfen; es soll sie wachrütteln, sie zur Einsicht führen
                oder sie zur besseren Selbstkontrolle anleiten, ja oft auch zur Steigerung ihres
                Problembewußtseins beitragen.“ Welches unangenehme Erlebnis ist hier genau gemeint
                und könnt ihr dieses Zitat so unterschreiben?

Kai:        Ja!
Budde:    Was Du für Bücher liest!
Kai:        Das unangenehme Erlebnis hat man im Keller von Schloß Strafe.
Torsten:  Das wirst Du ja nach dem Interview noch erleben!

BLURR:  Äh, na gut. Ich muß jetzt eigentlich gerade gehen. Termine, ihr versteht?

Torsten:  Och, bitte bleib doch noch was. Ist doch gerade so gemütlich.
(Hebt dabei beinahe unmerklich den Schürhaken mit dem er gerade noch im Kamin rumgestochert hat.)

BLURR:  Ja, aber ich habe sowieso keine Fragen mehr an euch.
               Sorry, aber wegen der drängenden Deadline war ich nicht angemessen
               auf dieses Interview vorbereitet, und...

Kai:         Komm schon. Ich bin sicher dir wird schon noch was einfallen.
(Sagt dies in einem leicht zischenden Unterton und fixiert mich finster.)

BLURR:  Na gut, einen kleinen Notnagel habe ich ja noch...

Budde (seufzt träumerisch):  Hach, Nägel...

BLURR:  ...es sind so typisch banale Fragen mit denen Popstars in der Regel konfrontiert werden.
                Die hab ich neulich zufällig bei der Computersendung „Giga TV“ aufgeschnappt,
                da wurden sie  live via Internet einer House Band namens „Brooklyn Bounce“ gestellt.
                Ist das O.K. für euch?

Budde:    So sei es.

BLURR:  Na dann mal los, wie gesagt nicht sehr gehaltvoll, aber...

Kai:        Didei...

BLURR:  Entschuldigung. Erste Frage:  Über was streitet ihr euch am meisten?

Torsten:  Wir streiten uns nie!
Budde:    Stimmt doch gar nicht!
Torsten:  Wohl!
Budde:    Nein!
Torsten:  Doch!
Budde:    Quatsch!
(Der Rest geht in einem wildem Handgemenge unter...glücklicherweise hatte Torsten den Schürhaken
bereits wieder zur Seite gelegt.)

BLURR: Wo hattet ihr euren besten Auftritt?

Kai:        Einige waren gut. Kann man jetzt nicht so genau sagen.
Budde:    Minden war gut. Und letztens der in Gladbach auch.
Torsten:  Hamburg, Marquee war geil.
Kai:        Ja, aber auch viele andere, die uns jetzt gerade nicht einfallen...

BLURR:  Hört ihr gerne Hip Hop?

Torsten:  Ich hasse Hip Hop!
Budde:    Wir sind weder hip...
Kai:        ...noch hop!

BLURR:  In welchem Club wurde eure Musik zuerst gespielt?

Torsten:  In meinem Fußballclub hab ich das mal laufen lassen.

BLURR:  Gibt es einen besonderen Club, wo ihr besonders stolz drauf wärt,
                wenn eure Musik dort gespielt werden würde?

Budde:    Ja, bei Borussia...also Mönchengladbach.
Torsten:  Es gibt nur eine Borussia!
Kai:        Jetzt geht das schon wieder los...

BLURR:  Was bedeuten euch eure Fans?

Torsten:  Haben wir Fans?
Kai:        Was ist das?

BLURR:  Also mehr habe ich jetzt aber wirklich nicht. Außer natürlich abschließend
                die Frage was wir zukünftig von der Strafe erwarten dürfen?
                Wäre ja wohl langsam mal wieder ein Langspieler angesagt, oder?

Kai:        Das stimmt!
Budde:    Euch erwartet Bestrafung jeglicher Art...
Torsten:  Wir haben jetzt endlich wieder einen Proberaum und können jetzt anfangen unsere
              neuen Lieder zu proben.
Kai:        Um dann irgendwann endlich die dritte LP zu machen!

BLURR:   Irgendwelche letzten Worte zu Schluß?

Torsten:  Habt Sex und hört Die Strafe!
Kai:        Gleichzeitig?

BLURR:  Hey Moment mal, dasselbe habt ihr doch schon im Plastic Bomb geantwortet.
                Hi hi, jetzt habe ich euch durchschaut. Ihr seid nichts weiter als eine Bande hirnloser
                Marionetten der Plattenindustrie, die völlig unkreativ und ohne jegliche Spontanität
                lediglich das nachplappert, was Ghostwriter und Imageberater ihnen vorschreiben.
                Ahhh, wartet nur wenn das unsere Leserschaft erfährt.

                Hey, was soll das?
 
                Laß meinen Arm los, Torsten!

                Aua, du tust mir weh.
 
                Nein, ich will nicht da runter in den dunklen Keller.

                Was soll ich denn da?
 
                Dort ist es feucht und dunkel und...bitte...
 

                                                                                                  Didei
 
 
 
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